«Liberation Day» treibt Inflationssorgen
Der von den USA ausgelöste globale Zollstreit fordert konjunkturell seinen Tribut. Weltweit werden die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr nach unten korrigiert. Am stärksten trifft es jedoch die Vereinigten Staaten selbst. Kurzfristig ist sogar mit negativen Wachstumszahlen zu rechnen. Um eine ausgewachsene Rezession oder eine längerfristige Stagflation abzuwenden, braucht es erste Verhandlungserfolge im von den USA vom Zaun gebrochenen Handelsstreit. Und das schnell, sprich, vor Ablauf des 90-tägigen Aufschubs der von Trump ausgerufenen reziproken Zölle.
Doch auch im Falle einer raschen Entspannung werden die Nachwehen des Zollsturmes in den USA noch länger spürbar sein: Das Preisniveau dürfte in den kommenden Monaten steigen und die Verunsicherung weiter anhalten, was auf dem in den USA so wichtigen Konsum lastet. Konsumausgaben sind für zwei Drittel der amerikanischen Wirtschaftsleistung verantwortlich. Steigende Preise stellen zudem eine grosse Herausforderung für die Geldpolitik dar. Angesichts der wirtschaftlichen Abschwächung wäre eine Lockerung angebracht, die US-Notenbank sieht sich aufgrund der inflationären Tendenzen der Trumpschen Politik jedoch dazu gezwungen, das Zinsniveau weiter hoch zu halten.
Zum heutigen Zeitpunkt gehen wir für das Gesamtjahr nicht von einer globalen Rezession aus und auch die Vereinigten Staaten dürften – wenn auch knapp – an einer Rezession vorbeischrammen. Das Weltwirtschaftswachstum bleibt jedoch unterdurchschnittlich.
Ist Amerikas Verlust Europas und Chinas Gewinn?
Europa und China sind beide von den hohen Zöllen betroffen und dürften kurzfristig leiden. Beide Regionen könnten mittelfristig jedoch vom Protektionismus der Vereinigten Staaten profitieren. Die überraschende europäische Einigkeit könnte zu weiteren Fiskalimpulsen führen. Deutschland beschloss bereits im März ein Milliardenpaket und legt damit den Grundstein für die Flucht aus der lang anhaltenden Stagnation. Über die nächsten Jahre werden damit in der Eurozone Hunderte von Milliarden Euro in Verteidigung und Infrastruktur fliessen. Davon sollte auch die Schweiz profitieren können. Wir erwarten sowohl für die Schweiz als auch für Europa 2025 nur ein schwaches Wachstum mit einem ab 2026 steigenden Trend.
Auch China könnte als Profiteur aus dem Handelsstreit hervorgehen und führt mit diversen Regionen Gespräche für Handelsabkommen, die bewusst Amerika aussen vor lassen. Kurzfristig hat das Reich der Mitte jedoch noch mit hartem konjunkturellem Gegenwind zu kämpfen. Neben Trumps Zöllen lasten weiterhin Probleme wie die anhaltende Immobilienkrise auf dem Wachstumsausblick. Chinas Wirtschaft dürfte das angestrebte Wachstumsziel von 5 % für 2025 nicht erreichen. Auch hier könnten sich die Aussichten für die kommenden Jahre jedoch aufhellen.