Insbesondere mit dem Technologiesektor wird künstliche Intelligenz beinahe naturgemäss in Verbindung gebracht. Die Chancen für den Sektor gehen aber über die Bereitstellung von Chips und die Monetarisierung von Large Language Models (LLMs) hinaus. Medienunternehmen profitieren von den neuen Möglichkeiten, kreative Arbeit zu unterstützen, während der Schutz von geistigem Eigentum und die Faktenverifikation zentrale Herausforderungen darstellen. Für den Telekom-Sektor ergeben sich durch Edge AI und autonome Netze Chancen, die allerdings hohe Investitionen erfordern, welche wiederum risikobehaftet sind. Vorteile dürften Unternehmen mit starken Bilanzen haben und sich diese Investitionen leisten können.
Insgesamt ist festzustellen, dass in gewissen Teilbereichen die Grenzen innerhalb von TMT immer stärker verschwimmen. Für alle Akteure gilt aber: Die Phase des Experimentierens ist vorbei. Erfolg hängt nun von der Fähigkeit ab, KI tief in die Kernprozesse zu integrieren, rechtliche und ethische Risiken proaktiv zu managen und die Belegschaft für die Zusammenarbeit mit technologischen Entwicklungen wie autonomen Agenten zu befähigen.
Das Fundament einer neuen Ära
Der Technologie-Sektor bildet das Rückgrat der globalen KI-Transformation. Während der Fokus in den Jahren 2023 und 2024 auf der Evaluation von LLMs lag, verlagert sich der Schwerpunkt allmählich auf die Industrialisierung dieser Modelle, die Entwicklung spezialisierter Hardware und die Evolution von assistierender KI hin zu autonomer, «agentischer» KI.
Mit dem KI-Boom hat sich auch der Fokus innerhalb des Technologiesektors zu verschieben begonnen. Nach einer langen Phase, in der Software als die Königsdisziplin gehandelt wurde, hat die Hardware wieder die Oberhand gewonnen. Exemplarisch dafür steht NVIDIA, das Unternehmen, das mit seinen Grafikprozessoren (GPUs) das Training und den Betrieb von LLMs überhaupt erst möglich macht.
Hier endet die Reise aber nicht. Gerade für die Phase der Inferenz (also den Betrieb, bzw. die Anwendung der Modelle) zeichnet sich zunehmend eine Verschiebung hin zu sogenannten ASICs (Application-Specific Integrated Circuits) ab. Anbieter wie Broadcom oder Marvell ermöglichen mit massgeschneiderten Chips die Reduktion von Kosten und Energiebedarf. Diese werden zusammen mit den Hyperscalern (Amazon, Google, Microsoft etc.) entwickelt und ermöglichen bessere Performances bei spezifischen Anwendungsfällen.
Die Ära der «Agentic AI»
Software wird aber keinesfalls in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Im Gegenteil: aktuell zeichnet sich in diesem Bereich eine der möglicherweise disruptivsten Veränderungen für den gesamten Sektor ab. Autonom agierende KI-Agenten sind eine neue Generation von Systemen, die eigenständig Ziele verfolgen, Entscheidungen treffen und Aktionen ausführen können. Damit wohnt dieser nächsten Evolutionsstufe ein enormes Potenzial inne, das sich auf eine grosse Bandbreite von Industrien anwenden lässt.
Der Markt für autonome KI-Agenten könnte gemäss einer Studie von Deloitte 2030 USD 45 Mrd. gross sein, was für Unternehmen wie Salesforce, die mit Agentforce eine der bekanntesten Plattformen für dieses Segment betreibt, eine grosse Chance darstellen würde. Zeitgleich stellen KI im Allgemeinen und insbesondere KI-Agenten eine Herausforderung für traditionelle Softwareunternehmen dar. Schnittstellen, die auf Interaktion mit menschlichen Nutzern ausgelegt sind, könnten zunehmend an Relevanz verlieren. Unternehmen, die ihre Software nicht auf diese Veränderungen einstellen, riskieren den Anschluss zu verlieren.
Neue Ansätze für Kreativarbeit und Urheberrechtsrisiken
Für Medienschaffende ist Kreativität Alltag und dieser Alltag könnte sich durch generative KI deutlich verändern. Durch den Einsatz der Technologie besteht die Möglichkeit einer Demokratisierung der Erstellung von Medien, wie sie ohne nicht denkbar gewesen wäre. Bereits heute bieten Tools wie der Sora 2 Video Generator Optionen, die bspw. die Kosten für visuelle Effekte (VFX) deutlich reduzieren. Unternehmen wie Disney und Netflix investieren massiv, um hier die Oberhand zu behalten. So kündigte Disney kürzlich an, USD 1 Mrd. in OpenAI zu investieren und gleichzeitig die Lizenz an ikonischen Charakteren wie Mickey Mouse oder Cinderella an Sora zu vergeben.
Ein wichtiges Thema für den Sektor sind die Urheberrechte. Die rechtliche Unsicherheit diesbezüglich bleibt das Damoklesschwert, das über der Branche schwebt. Ein Ansatz für den Umgang damit ist ein Markt für «saubere» Trainingsdaten. Hier lizensieren Medienunternehmen ihre Archive und stellen sie für das Training von LLMs zur Verfügung– analog der Vereinbarung von Disney mit OpenAI.
Ein weiteres Thema, bei dem wir Risiken für den Sektor als auch die Gesellschaft verorten, sind die sogenannten «Deepfakes». Dabei werden Medieninhalte mit Hilfe von KI-Tools erstellt, die authentisch wirken und nur schwer als «Fakes» zu identifizieren sind. Damit stehen Problemstellungen wie Desinformation bis hin zur Verbreitung von anderweitig problematischen Inhalten Tür und Tor offen. So wurden bspw. Stimmklone von CEOs genutzt, um Überweisungen zu autorisieren. Schätzungen zufolge könnten in den USA durch solche Betrugsfälle bis 2027 bis zu USD 40 Mrd. Schäden entstehen.
Eine neue Chance für die Telekom-Branche
Die Telekommunikationsdienstleister hatten in den vergangenen Jahren einen schweren Stand. Statt von den enorm stark steigenden Datenvolumina mit ebenso stark steigenden Gewinnen zu profitieren, musste die Branche hohe Infrastrukturinvestitionen tätigen, während die Preise für die Datendienste sich in eine Abwärtsspirale begaben. Nun sehen diese Unternehmen die Möglichkeit, durch den Einsatz von KI-Effizienzgewinne zu heben und die Profitabilität zu steigern.
Ein Beispiel hierfür sind «Self-Healing Networks». Hierbei helfen KI-Tools, Netzwerkausfälle zu prognostizieren und automatisch Gegenmassnahmen einzuleiten, im besten Fall, bevor der Kunde von den Problemen Notiz nimmt. Ähnlich wie bei haptischen Maschinen können durch prädiktive Wartung die Ausfallzeiten von Netzwerken reduziert und die Wartungskosten gesenkt werden.
Ein weiterer Hebel, den die Branche auf der Kostenseite identifiziert hat, ist der Kundenservice. Dieser ist oft kostenintensiv und führt nicht selten nicht zur erhofften Zufriedenheit des Kunden. Durch die Nutzung von KI-Chatbots und Voice-Assistenten (Agentic AI) können hier die Kosten deutlich reduziert werden. Zudem bieten KI-Tools über die Analyse von Nutzungsverhalten in Echtzeit die Möglichkeit von personalisierten Angeboten, was einen positiven Einfluss auf den durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer (ARPU) haben könnte.
TMT mit vielfältigem KI-Potenzial
Die Chancen, die künstliche Intelligenz für den Bereich Technologie, Medien & Telekommunikation bietet sind vielfältig – genauso wie die Risiken. Technologieunternehmen bilden das Rückgrat einer neuen Ära, aber die Chancen gehen über die Hardware hinaus. Insbesondere KI-Agenten könnten in den nächsten Jahren transformative Kräfte entfalten. Medienschaffenden bieten die KI-Tools neue Möglichkeiten und Medienkonzerne können bei geschicktem Einsatz ihre Kosten deutlich reduzieren, bzw. anders einsetzen. Urheberrechte und Deepfakes stellen die grossen Herausforderungen für die Branche dar. Telekommunikationsdienstleister könnten eine weitere Chance erhalten, von einem boomenden Markt zu profitieren. Um die Effizienzgewinne heben zu können, muss die Industrie aber kräftig investieren, was erfahrungsgemäss mit hoher Unsicherheit behaftet ist.
Unser Autor
Cyrill Marugg, CIIA, CAIA
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